Dank modernen Endoprothesen und gezielter Therapie
Stand noch vor wenigen Jahren die Schmerzreduzierung im Vordergrund, so wollen Betroffene heutzutage dieselben Aktivitäten und Sportarten mit einem künstlichen Gelenk ausüben wie vor dem operativen Eingriff. Doch welche Voraussetzungen müssen hierfür geschaffen werden?
Künstliche Gelenke (Endoprothesen) dienen als Ersatz für ein defektes Gelenk im menschlichen Körper. Am häufigsten kommen Hüft-, Knie- und Schulterprothesen zum Einsatz. Österreich liegt hier mit ungefähr 36.000 Knie- und Hüft-Totalimplantationen jährlich im internationalen Spitzenfeld – Trend weiter steigend.* Hauptgründe für ein künstliches Gelenk sind u. a. Arthrose, posttraumatische und rheumatologische Schädigungen des Gelenks.
Die Frage, die sich vielen Patienten vor einer möglichen Operation förmlich aufdrängt, betrifft die Haltbarkeit, sprich Standzeit, des künstlichen Gelenks. In den letzten Jahrzehnten hat sich diese durch deutlich verbesserte Materialien massiv erhöht. Die Gleitpaarung, der Teil, welcher wie der natürliche Knorpel wirkt und daher am meisten beansprucht und abgenutzt wird, besteht bei modernen Prothesen aus sehr widerstandsfähigen Materialien wie ultrahochvernetzten Vitamin-E behandelten Kunststoffen, Keramik und Metalllegierungen. Fortschrittliche, künstliche Gelenke nutzen sich nur minimal ab, oft nur um 0,001 Millimeter pro Jahr. Selbst mehr als 25 Jahre Lebensdauer sind daher keine Seltenheit mehr. Die Haltbarkeit ist jedoch auch abhängig von einem pfleglichen, angepassten Umgang mit dem neuen Gelenk.
Maßgeblich beteiligt am Erfolg der Operation sind zudem die körperlichen Voraussetzungen des Patienten. So sollte bei Adipositas, also massivem Übergewicht (BMI > 40), erhöhten Langzeitzuckerwerten (HbA1c>8), Herzkreislaufproblemen, aber auch nicht abgeklärten Infektionen (z. B. Zahnstatus) von einem operativen Gelenksersatz Abstand genommen werden. In diesen Fällen sind intra- wie postoperative Risiken im Vergleich zum Nutzen viel zu hoch. Ein Großteil der oben genannten Kontraindikationen kann jedoch vor einer geplanten Operation therapiert werden, wodurch Bedingungen geschaffen werden, die das operative Risiko akzeptabel machen.
Behandlungskonzept: Wiederherstellung nach Operationen
Nach einer erfolgreichen OP ist eine Rehabilitation mit angeschlossener ambulanter Physiotherapie absolute Grundvoraussetzung. Die ersten physiotherapeutischen Behandlungen können bereits wenige Tage nach dem Eingriff eingeleitet werden. Dabei werden muskelkräftigende Übungen ohne Belastung, passive Mobilisierung des betroffenen Gelenks, Gangschulung und etwa Lymphdrainagen angewandt.
Eine stationäre Rehabilitation kann bereits nach sechs Wochen begonnen werden. Zu diesem Zeitpunkt ist bereits eine höhere Belastung des Gelenks möglich, da auch schon Kapsel- und Bandapparat eine gewisse Stabilität aufweisen. Der Badener Hof bietet hierfür eine sogenannte „Wiederherstellung nach Operationen“ an. Zweck dieses Behandlungskonzept ist, dass der Patient mithilfe gezielter Therapien lernt, mit seinem neuen Gelenk im Alltag umzugehen und Vertrauen in die Belastbarkeit aufzubauen. Im Fokus steht dabei die Einzelheilgymnastik mit Bewegungs-, Kräftigungs- und Koordinationstraining. Fehlhaltungen oder auch Bewegungseinschränkungen des betroffenen Gelenks sind oftmals schon vor dem Gelenkstausch vorhanden und müssen genauso behoben werden wie der Muskelabbau durch die körperliche Inaktivität aufgrund von Schmerzen. Nach einem stationären Aufenthalt besteht die Möglichkeit, eine ambulante Rehabilitation im Badener Kurzentrum durchzuführen. Diese soll zu einer weiteren Verbesserung der Gelenkfunktion und Lebensqualität führen.
Im Laufe der ersten Monate nach der Operation sollte der Patient in regelmäßig definierten Abständen zu klinischen und radiologischen Kontrollen beim Operateur oder behandelnden Orthopäden vorstellig werden. Diese Termine sind wichtig, um den regelrechten Sitz der Prothese zu bestätigen, Lockerungen auszuschließen und die Gelenksbeweglichkeit und -stabilität zu kontrollieren. Nach vollständigem Einwachsen der Prothese in den Knochen und ausreichender muskulärer und Bandstabilität des Gelenkes kann der Patient für höhere Belastungen freigegeben werden. Etwa ein halbes Jahr nach der Operation kann wieder mit Sport begonnen werden.
Die beste Wahl: gelenkschonende Bewegung
Generell lässt sich sagen, dass nahezu 90% der Patienten ihr sportliches Niveau, welches sie präoperativ hatten, wieder erreichen können. Wobei hier zwischen empfehlenswerten und weniger empfehlenswerten Sportarten unterschieden wird. Die Hauptunterschiede ergeben sich durch die Belastungskräfte, die auf die Gelenke wirken, und das damit verbundene Verletzungsrisiko. Mit Endoprothesen können Verletzungen wie Bänderrisse und Knochenbrüche wesentlich schwerwiegendere Folgen haben als ohne künstliches Gelenk. Zyklische Sportarten wie Schwimmen, Radfahren und Wandern sind hierbei als gelenkschonende Bewegungsformen zu empfehlen. Aufgrund der kontinuierlichen, nicht stoßenden Bewegungen wirken nur geringe Kräfte auf die Gelenke.
Möglich, aber nicht uneingeschränkt zu befürworten, sind drei in Österreich sehr populäre Sportarten: Schifahren, Tennis und Golf. Hier gilt, wer vor der Operation noch nie auf Schi gestanden ist, sollte es nicht unbedingt nach dem Eingriff erstmals probieren. Definitiv nicht zu empfehlen sind Stop-and-Go-, Mannschafts- und Kontaktsportarten wie Fußball, Kampfsportarten, Handball, Volleyball, Basketball, Squash, Mountainbiken, Landhockey Baseball usw. Bei dieser Art der sportlichen Betätigung besteht immer ein sehr großes Verletzungsrisiko, einerseits durch schnelle Richtungswechsel und hohes Tempo, andererseits durch unbeeinflussbare Krafteinwirkung von außen, etwa durch Kontakt mit einem gegnerischen Spieler. Nichtsdestotrotz kann jeder Prothesenträger eine für ihn passende Sportart finden und maßgeblich zu seinem körperlichen und seelischen Wohlbefinden beitragen.
*lt. BM für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz
verfasst von Prim. Dr. Stefan Eipeldauer - Ärztlicher Leiter der ambulanten Rehabilitation im Badener Kurzentrum sowie stellvertretender ärztlicher Leiter im Gesundheits- und Kurhotel Badener Hof. Er ist Facharzt für Orthopädie, Traumatologie und Unfallchirurgie.
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